"Mit dem neuen
Autonomiestatut wurde unser Status neu abgesichert, es kam Wohlstand ins
Land, das von den Olympiasiegern um Jahrzehnte vorweggenommene
Selbstwertgefühl steigerte sich zum Rausch: Südtirolersein wurde und ist
nicht mehr eine Minderung, sondern eine Selbstverständlichkeit, mitunter
eine Selbstgefälligkeit Das 'Mir sein mir' der Gegenwart ist ein
umfassendes lustvolles Lebensgefühl, das alles ausblendet, was störend
sein könnte, etwa soziale Brüche, die hinter den wohl stets neu
aufgeheizten, aber unbearbeiteten ethnischen Konflikten verborgen sind,
und vor allem die Kleinheit und Enge des Landes, die zwar eine ungeheuer
intensive emotionale, kulturelle Ladung ermöglicht, aber auch erstickend
ist. Südtirol läuft Gefahr, sein historisches Glück und manche
außerordentliche Leistung für sein Geburtsrecht zu halten, der Eitelkeit
eines Sonnenlandes zu erliegen, das nicht merkt, dass es auch Provinz ist.
Gegenüber Italien mimen wir weiterhin die bedrohte Minderheit, gegenüber
Tirol und Österreich heben wir hochnäsig den Kopf, dass wir Südtiroler
sind. So gebärden wir uns in einer globalisierten Welt ungeniert so, als
wären wir deren Nabel. Der eigentliche Wert des Landes, seine Vielfalt an
Reizen, Kulturen, Wurzeln, Zugehörigkeiten zu größeren Räumen gehört
aufgewertet gegenüber einer reduzierten, selbstgefälligen Identität. Erst
das Wissen, das Schätzen dieser Vielfalt öffnet uns die, öffnet uns der
Welt." (Hans Karl Peterlini, Mir sein mir, stärker als die Stier. Über die
Lust und Verführung, Südtiroler zu sein - und sich damit zu begnügen. In:
Die Zeit, Sonderbeilage Südtirol, März 2008)